Beginn: 19.00 Uhr / Eintritt frei!
Von Alexander Welp
isso. Stadtmagazin für Gelsenkirchen, Juni 2023
"Mit den klassischen Schaufensterpuppen, wie man sie von Karstadt, New Yorker oder H&M kennt, verbindet man in erster Linie Mode. Die lebensgroßen Figuren, die meistens aus Holz, Kunststoff oder Porzellan bestehen, dienen mit ihren beweglichen Gliedmaßen als Werbeflächen für Kleidung, Schmuck und Accessoires. Seit dem Beginn der industriellen Revolution sind die Mannequins aus unseren Kaufhäusern nicht mehr wegzudenken und versprühen ihren gänzlich eigenen Charme.
Allerdings können sie durch ihre kühle und leblose Ausstrahlung genauso gut abschreckend oder gruselig auf ihre Betrachter*innen wirken. Ein breites Spannungsfeld also, welches für Jean Merkur Grund genug war, die Schaufensterpuppen in Kunstobjekte zu verwandeln.
Mit den klassischen Schaufensterpuppen, wie man sie von Karstadt, New Yorker oder H&M kennt, verbindet man in erster Linie Mode. Die lebensgroßen Figuren, die meistens aus Holz, Kunststoff oder Porzellan bestehen, dienen mit ihren beweglichen Gliedmaßen als Werbeflächen für Kleidung, Schmuck und Accessoires. Seit dem Beginn der industriellen Revolution sind die Mannequins aus unseren Kaufhäusern nicht mehr wegzudenken und versprühen ihren gänzlich eigenen Charme.
Allerdings können sie durch ihre kühle und leblose Ausstrahlung genauso gut abschreckend oder gruselig auf ihre Betrachter*innen wirken. Ein breites Spannungsfeld also, welches für Jean Merkur Grund genug war, die Schaufensterpuppen in Kunstobjekte zu verwandeln.
Jean Merkur kommt aus dem Bereich der Kunst. Die Inspirationen für die ästhetischen Arbeiten kommen dabei, breit gefächert, aus den Sparten Film, Literatur sowie Musik: „Ich habe zwar keine direkten Vorbilder aus der Kunstszene, aber es gibt eine Menge Dinge, die meine Arbeit beeinflussen oder Ideen transportieren.“
Als erster Impuls für die Reihe der dystopischen Mannequins diente die bearbeitete Schaufensterpuppe eines Künstler-Kollegen, der diese Figur in seinem Atelier stehen hatte. „Er selbst befand sie gar nicht als Kunstwerk, obwohl sie schon bearbeitet war und durch eine spezielle Farbe einen rostigen Effekt besaß. Ich war allerdings sofort von der Ausstrahlung der Puppe fasziniert. Nach einem längeren Hin und Her hat er sie mir dann vermacht“, beschreibt Merkur.
Die Begegnung mit dieser Puppe, welche durch die Bearbeitung mit dem ursprünglichem Schönheitsideal der Mannequins brach, war der Startschuss für einen aufwendigen Arbeitsprozess: Insgesamt 13 Figuren, welche durchschnittlich 165 Zentimeter groß sind, wurden von Jean Merkur verarbeitet und ästhetisch verändert, sodass sie einen komplett neuen, individuellen Charakter erhielten. Der Leitfaden, dystopische Mannequins zu erstellen, begann dabei mit einer ersten, klaren Herangehensweise: Die Figuren bekommen keine Perücken. Dies fördere den morbiden Eindruck, wobei man meinen könnte, dass die Schaufensterpuppe per se einen dystopischen Charakter besitzt, da sie oftmals einen Idealtypus ausstrahlen soll, der gerade vielleicht angesagt ist.
Der griechische Titel der Ausstellung – Dystopia Tetelestai – bedeutet so viel wie: Die Dystopie ist gemacht. Für Jean Merkur ein interessanter, philosophischer Gedanke: „Es gibt natürlich eine Menge Sachen in unserer Gesellschaft oder Kultur, die zu kritisieren sind, und die zu Theorien für Schreckensszenarien in der Zukunft führen. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass der Planet uns Menschen abschütteln wird, wenn er von uns genug hat. Diese Hybris, dass der Mensch über allem steht, wird irgendwann auf uns zurückfallen."
Um die Mannequins anschaulich zu präsentieren, griff Merkur auf eine Vielzahl künstlerischer Methoden und Kniffe zurück. Die Puppen wurden bemalt, erhielten ungewöhnliche Strukturen auf der Hautoberfläche oder bekamen komplett neue Elemente hinzugefügt. Bei manchen Figuren war die Idee von Anfang an klar, mit anderen musste Merkur auch etwas kämpfen: „Eine besondere Figur durchlief sehr viele Veränderungsprozesse. Nach etlichen Versuchen, bei denen ich die Figur bandagieren wollte, habe ich sie in einer Art Verzweiflungstat mit Lack angesprüht – damit hatte ich endlich den gewünschten Effekt!“
Bei anderen Figuren wurde es auch mal rabiater, und Merkur griff zu Hammer und Meißel. Eine Mischung aus Schmerz und Wut führten beim künstlerischen Akt dazu, dass sich Merkur mit den eigenen, privaten Emotionen auseinandersetzen und diese gleichzeitig als Katalysator benutzen konnte.
Wenn man als Außenstehender auf die Figuren blickt, kann einem dabei ganz schön Angst und Bange werden. Durch ihre menschliche Größe und Ausstrahlung, welche aber stets auf mehr oder weniger abstrakte Weise verändert oder erweitert wird, entsteht etwas gänzlich Neues. Etwas Neues, dass in einem selbst ein Unbehagen hervorrufen kann.
Dieses Gefühl gilt natürlich nicht für jede Puppe und andere Betrachter*innen verspüren womöglich komplett andere Emotionen. Aber das ist das Bemerkenswerte an Jean Merkurs Kunst: Sie lässt einen auf keinen Fall kalt!"